Freitag, 17. Juli 2015

44. Tag


44. Tag: Reif für die Insel

107 km, D: 16,9 km/h, Fahrzeit: 6:20 h,1024 hm
NAV-Camping 7 km hinter Honningsvag,

 

Guten Morgen am Tag zur Nordkapinsel

Während Alex noch packt, nutze ich die Zeit noch ein paar Zeilen zu schreiben. In der Nacht habe ich gut geschlafen und nicht gefroren. Der Himmel ist bedeckt, und 40% Regenwahrscheinlichkeit sind angesagt. Die Strecke verläuft wohl direkt am Fjord entlang, so dass keine großen Steigungen zu erwarten sind.
Auf der gestrigen Tour war interessant, dass wir die Höhendifferenz von nur 300 m über dem Meer im Vergleich zu den Alpen vom Wetter und der Vegetation wie 1000 m empfunden haben. Dabei war unser höchster Punkt nur knapp 400 m. Und selbst da oben waren die Vampire bei einem Stopp kaum zu bändigen. In Alta auf dem Camp und in der Stadt und auch hier in Russenes sind fast keine.
So, jetzt ist gleich Start zur letzten großen Etappe zur Nordkapinsel.

Am Abend

Die Strecke hatte ich total falsch eingeschätzt. Sie verlief zwar am Ufer des Porsangerfjords entlang, ging aber permanent rauf und runter. Am Ziel waren es 1024 hm. Alex wollte es gemütlich angehen, ich zügig. Also haben wir uns am Zielcamp verabredet. Bei meiner ersten Verpflegungspause an einer schönen Bucht traf ich Steffen aus Lüneburg. Er saß da mit kurzen Hosen und leichtem Trikot. Ich dagegen hatte schon unterwegs meine wärmere Leggins und die Goretex-Jacke, den Buff um den Hals und das Stirnband übergezogen. Der Himmel war bewölkt und die Sonne war selten zu sehen. Temperatur 12°. Steffen und ich fuhren den Rest des Tages zusammen. Die Küste ist wunderschön und mit einzelnen Häusern oder auch mal einem Weiler besiedelt. Der Verkehr auf der gut ausgebauten Straße war mäßig und harmlos, der Wind freundlich bis auf wenige km. Der berühmt berüchtigte Nordkap Tunnel mit knapp 7 km Länge kam immer näher.

Dann sehe ich die Straße in einem Loch verschwinden. Bis auf 212 m unter dem Meer geht es in die Tiefe, 2,5 km mit  9% Gefälle. Genauso wieder rauf. Runter ist kein Problem, aber mit dem Gepäck 2,5 km mit 9% Steigung wieder rauf. Da bekommt man doch Respekt. Was soll‘s, da muss ich durch, zur Not mit Schieben auf dem schmalen Seitenstreifen. Irgendwann wird man wieder den Himmel erblicken. Also Rücklicht und Frontlicht einschalten, Jacke ganz dicht machen und los.
Ruckzuck waren 50 km/h auf dem Tacho zu lesen. Der Tunnel ist einigermaßen beleuchtet. Auf dem Weg runter gib es wegen der hohen Geschwindigkeit fast nur Gegenverkehr, aber auch das war nicht ohne, zumindest was die Psyche angeht. Der Lärm durch die Fahrzeuge ist so höllisch, dass man ganz irritiert ist. So habe ich das noch nie, noch in keinem Tunnel erlebt.
Plötzlich wieder so ein immer lauter werdendes Höllengeräusch, vermutlich ein Lkw. Aber keine Lichter auf der Gegenfahrbahn, auch keine Lichter im Rückspiegel. Totale Irritation. Was nun? Einfach weiter, keine Chance.
Doch der Lärm nimmt rasant zu, bis zum Höhepunkt. Dann die Erklärung: Es war ein Lüftungsgebläse, das ich passiert habe. Schreck lass nach.
Unten angekommen geht es zunächst moderat aufwärts, vielleicht zwei km. Die Temperatur sinkt auf 9°. Noch 3 km bis zum Ende. Der Druck auf die Pedale wird immer stärker. Kleinster Gang rein. Kurze Verschnaufpause an einer Nothaltebucht. Noch zwei km. Und weiter. Dann der Hinweis: Noch 1 km. Die allerletzten Reserven werden mobilisiert. Noch 900 m, 800, 700 ...
Dann endlich kommt Tageslicht in Sicht. Noch 100 m. Geschafft. Was für eine Erlösung. Himmel über mir – der Himmel von Mageroya, der Nordkapinsel. Erst mal Pause. Die letzten Minuten verarbeiten. Das normale Wahrnehmungsvermögen kommt wieder, und die Tunneldurchfahrt wandelt sich langsam nur noch zu einem interessanten Erlebnis auf dem Weg zum Ziel. Die Beine erholten sich und es ging weiter Richtung Honningsvag, die Landschaft aufsaugend. Dann der nächste Tunnel, nur 4 km und eben. Harmlos. Nach dem Tunnel sah ich Honningsvag. Gleich zum Supermarkt einkaufen und die letzten 7 km zum Camp. Temperatur 9°. Die warme Dusche und das Abendbrot in der warmen Küche werden zum normalen Empfinden verhelfen. Und morgen dann das Finale.

Überraschung am Supermarkt
Am Supermarkt sehen wir von weitem ein Radler mit roten Gepäcktasche und gelber "Wurst" (Tasche auf den hinteren Gepäcktasche quer), genau wie ich sie habe. Dann zu ihm, die Räder abgestellt. Der Radler dreht sich zu uns um, und ich erkenne Günther aus Jöhlingen. Wir kennen uns flüchtig. Bei ihm hat es etwas länger gedauert, aber dann... Steffen hat sich nicht mehr eingekriegt. Zwar hatte ich von Hilde vernommen, dass noch ein weiterer Radler aus Jöhlingen zum Nordkap unterwegs sei, aber wer? Ich hatte gleich an ihn gedacht aber nie, dass man sich trifft. Er fuhr mit der Fähre nach Helsinki und dann weiter durch Finnland, kam gerade vom Kap und wollte noch zum Festland zurück.
Das war der gestrige Tag.


Schon zum heutigen 45. Tag:
Werde mich jetzt richten und mit kleinem Gepäck das Finale einleiten. Komme dann zum Zelt zurück.

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